Narziss – Sein Mythos beinhaltet ursprünglich die gewaltsame inzestuöse Liebe des Bruders zu seiner namenlosen Zwillingsschwester, die ihr den Tod bringt. Nach einem symbiotischen Anfangsstadium in gleicher Gestalt, Haartracht und Kleidung und in gemeinsamer Jagd schlägt das anfänglich rein duale, nicht-erotische Verhältnis beider Geschwister um in erotische Polarität und Aggressivität des Bruders gegenüber der Schwester. Nach deren Tod schaut Narziss in eine am Ort des Geschehens gelegene Quelle, wobei er in seinem Spiegelbild das Gesicht der Schwester zu sehen wähnt. In unerfüllte und unerfüllbare Sehnsucht bleibend eingefangen, verfällt er dem Tod. Das Aufsprießen der Blume Narzisse in dessen Folge ist Ursache der Literalisierung des Mythos, ist selbst aber sekundär. Von seinem geistigen Ursprung her verdankt sich der Narziss-Mythos einer anthropomorphisierenden und kosmologisierenden Umformung der ersten beiden präkosmogonischen Phasen der Phönizischen Kosmogonie des Ge lehrten Sanchunjaton von Beirut, erhalten vermittels griechischer Übersetzung durch Philo von Byblos und deren Zitat bei Euseb von Caesarea. Grundinformanten sind Neanthes von Kyzikos und Pausanias, bedingt auch Nonnos von Panopolis (Liebe der männl. Narzisse zur Anemone). Kern des Mythos ist die Umsetzung von Wind und Luft in die Geschwister und ihre ›Liebe‹. Der pur selbstverliebte Narziss ist nur eine um seine Schwester amputierte (bei Ovid durch die Nymphe Echo ersetzte) Sekundärgestalt.
Narziss
Anfragen zur Herkunft und zu den Gestaltungen seines Mythos
598 Seiten
Paperback
ISBN : 978-3-86417-010-2
€34,00
Gewicht | 1465 g |
---|---|
Größe | 17 × 24 cm |
Otto-Hubert Kost
Otto-Hubert Kost (*1929) studierte Theologie in Berlin, Heidelberg und Göttingen, des weiteren Philosophie, Geschichte und katholisches Kirchenrecht in Göttingen und Innsbruck. Er war als Theologe in Schule und Kirche tätig, besonders in München und Hannover. Seit 1983 ist er Lehrbeauftragter im Fachbereich Religionswissenschaft an der Universität Hannover und seit 1994 ebendort Inhaber einer Professur.
Ähnliche Produkte
Anna Maria Hennen
In klaren Nächten schauen wir ins Weltall und sehen Sterne, die weiter von uns entfernt sind als die bei Tag lichtgebende Sonne. Die Entfernungen zwischen ihnen werden größer. Das Universum soll sich vom Urknall an weiter ausdehnen. Wir fragen: Wohin und worin? Unter Freiheit verstehen wir einerseits die Möglichkeit, uns frei zu bewegen. Andererseits bezeichnet [...]
Aaron Fellbaum
Das vom Logiker Alexius Meinong analysierte Themenfeld der möglichen Welten ist gleichermaßen bedeutsam für unmögliche Gegenstände, die in unserer Welt nicht existieren. Prägnantes Beispiel ist das kreisförmige Rechteck – die berühmte Quadratur des Kreises. Die Existenz oder der Mangel an Existenz ist dabei eine Gegebenheit von Gott her. Das »Nichtexistieren« ist also nicht mit einem [...]
Wolfgang Boochs
Seitdem der deutsche Archäologe Ludwig Borchardt am 6. Dezember 1912 bei seinen Ausgrabungen in Achet Aton, dem heutigen Tell-el-Amarna, in der Werkstatt des Bildhauers Thutmosis die Büste der Nofretete entdeckte, rückte diese nicht nur in das Interesse der Weltöffentlichkeit, sondern wurde auch zum Streitobjekt zwischen Ägypten und Deutschland. So wird Nofretete von deutscher Seite unter [...]
Otto-Hubert Kost
Der Erzählung nach erhielt der heilige Christophorus seinen Namen von Jesus, nachdem er den jungen Heiland über einen Fluss getragen hatte. Erste Spuren dieser Trägerlegende finden sich im 12. Jahrhundert. Weitere Berichte zu seiner Person sind allerdings weitaus älter. Im 8. Jahrhundert, bereits mehrere Jahrhunderte nach seinem Märtyrertod, entstand die lateinische Passio. Mit dieser beschäftigt [...]
Walter Hoeres
Seit Henri de Lubac und Karl Rahner ist die Diskussion über die Neubestimmung des Verhältnisses von Natur und Gnade nicht mehr zur Ruhe gekommen. Bis heute hält sich die Kontroverse darüber, wie es möglich ist, dass wir eine natürliche Sehnsucht nach der Anschauung Gottes haben, die doch ein unverdientes Gnadengeschenk ist. Die Kontroverse wird durch [...]
Hansjürgen Bertram
Die christlichen Dichtungen im »Römischen Brevier« besingen die Schöpfung, preisen ihren Schöpfer und feiern die Geheimnisse des Glaubens. Ihre Verfasser waren gelehrte Männer, Kirchenlehrer, Mönche, Ordensfrauen, Bischöfe und Päpste, und manchmal auch ein frommer und hochbegabter Laie wie Aurelius Prudentius. Wie die romanischen Dome und gotischen Kathedralen, deren Baumeister wir nicht kennen, legen diese Dichtungen [...]
Norbert Clasen
Es ist eine gewaltige Allianz, welche die Kultur des 21. Jahrhunderts auf ganz andere Grundlagen stellen will als auf die des christlichen Menschenbildes. Es ist die globale Ethik des post-christlichen Zeitalters, die die Rechte des Menschen nicht mehr aus einer von Gott geschaffenen Natur ableitet, sondern autonom setzt, und das Ziel einer positivistischen Wissenschaft, die [...]